Risikoprävention für junge Fahranfänger (Close to)
In allen europäischen Ländern sind junge Fahranfänger die Gruppe mit besonders hoher Unfallbeteiligung. Das liegt auch daran, dass vor allem männliche Jugendliche dazu neigen, höhere Risiken beim Autofahren einzugehen. Häufig tun sie dies auch wider besseres Wissen und ungeachtet umfassender, theoretischer Kenntnisse, die viele aus ihrer Fahrausbildung mitbringen. Die Ursachen liegen meist in dem Gefühl, sich vor anderen und vor sich selbst als Könner und als cooler Fahrer beweisen zu müssen. Der Mangel an Fahrerfahrung steht bei männlichen Jugendlichen oft im krassen Widerspruch zu ihrem Bestreben, das Gegenteil zu demonstrieren.
Derartige Widersprüche aufzudecken, junge Fahranfänger für ihre alterstypischen Risiken zu sensibilisieren, sie wacher zu machen für die Faktoren, die ihr Verhalten beeinflussen und ihren Blick auf sich selbst zu schärfen, das sind die Ziele des Unterrichtsbausteins Close to.
Close to ist ein Baustein für den theoretischen Unterricht an Fahrschulen. Er soll den Fahrlehrern dabei helfen, die Risikobereitschaft junger Fahranfänger im Unterricht nachhaltig zu bearbeiten und dabei auch emotionale und soziale Einflüsse zur Sprache zu bringen.
Hauptelement des Unterrichtsbausteins ist der Einsatz so genannter Peer-Mentoren. Diese sind junge Verkehrsstraftäter, die von Jugendgerichtshilfen in Abstimmung mit Jugendrichtern nach Absolvierung eines zwei tägigen Pflichtseminars im Theorieunterricht eine von ihnen selbst im Straßenverkehr erlebte Geschichte vortragen und sich einer Diskussion mit den Fahrschülern stellen. Die Peer-Mentoren sind in der gleichen Altersgruppe wie die Mehrzahl der Fahrschüler, nämlich zwischen 17 und 24 Jahren. Daraus erklärt sich auch der Name des Unterrichtsbausteins Close to (nahe zusammen) Durch ihr Alter sind die Peer Mentoren auch näher an den emotionalen Befindlichkeiten junger Fahranfänger, näher an ihrer Sprache und näher an den alterstypischen Gruppenprozessen als die zumeist älteren Fahrlehrer. Darüber hinaus sind die Geschichten der Peer-Mentoren authentisch, das heißt sie haben sie selbst wirklich erlebt und müssen sich auch mit ihren Folgen auseinandersetzen.
Das zu Grunde liegende Konzept Close to wurde von Fahrschulinhaber Lothar Taubert in Berlin entwickelt und im Rahmen eines EU-Projekts im Jahre 2004 bis 2006 als erfolgreiche Unterrichtsmethode wissenschaftlich überprüft. Aus Sicht der Europäischen Kommission bietet der Baustein einen geeigneten Zugang, um bislang vernachlässigte Unterrichtsinhalte wie beispielsweise Lebensstil, sozialer Hintergrund, Gruppendruck, Regelakzeptanz und Drogengewohnheiten nunmehr auch in Fahrschulen zu thematisieren (siehe 1.3 GDE-Matrix, Ebene 3: Ziele und Kontext des Fahrens; Ebene 4: Lebensziele und Fähigkeiten für das Leben).
In den zurückliegenden nunmehr 12 Jahren konnten ca. 400 Peer Mentoren in über 30 Fahrschulen in Berlin eingesetzt, und so ca. 8000 Fahrschüler erreicht werden.